Wer in Deutschland beim Restaurantbesuch das bestellte Essen nicht mehr ganz schafft, lässt sich die Reste auf dem Teller (meist) ganz selbstverständlich einpacken, um sie zu Hause zu verspeisen. Gleiches gilt für die USA und die asiatischen Länder. Anders stellt sich die Situation in Frankreich dar: Hier bieten einige Restaurants ihren Kunden zwar schon seit Jahrzehnten sogenannte “Doggy Bags”, also Behältnisse zur Mitnahme von Speiseresten an – nur macht kaum jemand davon Gebrauch. Der Frankreich Fan nennt die kulturellen Hürden.
Jeder, der schon mal an einem mehrstündigen Abendessen bei französischen Freunden teilgenommen hat, weiß: Essen hat in Frankreich einen anderen Stellenwert als in Deutschland. Es geht hier nicht um ein paar Fleischstücke, die in einer Bindemittel-geschwängerten Soße getränkt sind und von etwas Tiefkühlgemüse oder Pommes frites garniert werden. Bei der Nahrungsaufnahme hört bei den Franzosen der Spaß auf: Küche ist Kultur und damit heilig. Nicht umsonst ist das französische Mahl mitsamt seinen Ritualen und seiner Darbietung ein Kulturerbe der Menschheit.
Gourmetkost? Kommt mir nicht in die Tüte
Und Gourmetkost wie Boeuf Bourguignon oder Canard à l’Orange nimmt man doch nicht in einer Plastikbox mit nach Hause. Mais non! In dem englischsprachigen Blog understandfrance.org wird sogar ausdrücklich davor gewarnt, in einem Restaurant nach einem Doggy-Bag zu fragen. Doggy Bags gibt es auch für Wein, den man im Restaurant geordert, aber nicht geschafft hat.
Dabei sind die Franzosen laut einer Umfrage des Landwirtschaftsministeriums mehrheitlich aufgeschlossen gegenüber den Essensboxen (75 %) und 90 % der Befragten sprechen sich für ihre stärkere Verbreitung in der Gastronomie aus, um der Lebensmittelverschwendung (“gaspillage alimentaire”) Herr zu werden.
(Kulturelle) Gründe gegen das Doggy Bag
Folgende Gründe für die Abneigung der Franzosen gegen das Doggy Bag werden immer wieder genannt:
- Der Name Doggy Bag, auf Deutsch “Hundetüte” hinterlässt bei Restaurantgängern einen negativen Beigeschmack. Daher setzt man nun alle Hoffnungen in das Gourmet Bag.
- Laut dem Soziologen Jean Pierre Corbeau nehmen Franzosen aus unterschiedlichen Gründen kein Essen aus dem Restaurant mit nach Hause. In bürgerlichen und aristokratischen Kreisen gehört es zum guten Ton, Reste übrig zu lassen, da man nicht von Lebensmitteln abhängig ist. In den unteren Schichten hingegen wird eine Mahlzeit immer aufgegessen, das wird den Kindern von klein auf gelehrt.
- Franzosen möchten in einem Restaurant nicht als Bittsteller erscheinen.
- Es hat auch mit der Größe der Portionen zu tun, die in Frankreich – im Gegensatz zu den Staaten – weniger großzügig bemessen sind, da Qualität vor Quantität geht.
- Französische Restaurantbetreiber können sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass ihr Essen zuhause noch mal aufgewärmt wird. Ihrer Meinung nach muss das Essen, das bei ihnen frisch auf den Tisch kommt, sofort verzehrt werden.
Doch das Doggy Bag soll nach dem Willen der Regierung ein Erfolg werden. Denn im Nachbarland sind Privathaushalte und Restaurants für drei Viertel der vorzeitig weggeworfenen Lebensmittel verantwortlich. Daher müssen ab 2016 laut Gesetz alle Gaststätten, die mehr als 180 Essen am Tag servieren, die Lebensmittelabfälle trennen und wiederverwerten. Wenn Sie das nicht tun, drohen hohe Strafen.
Soziologen zeigen sich überzeugt, dass durch die veränderten Essensbedingungen und Fast-Food-Ketten mit ihren Mitnahme-Gerichten sich die Mentalität in Frankreich eines Tages ändern wird.